Wärme
Digitalisierung
Smart Metering
Internet der Dinge (IoT)

Beitrag erstellt am Montag, 24. April 2023 von Steen Schelle Jensen

Digitalisierung macht Fernwärmebranche fit für neue Herausforderungen

Dieser Blog-Beitrag wurde im März 2023 erstmals als Kolumne im internationalen Magazin Hot Cool veröffentlicht. Hier wurde er leicht angepasst.

„Die Digitalisierung ist ein wesentlicher Schritt in der Entwicklung von Fernwärmesystemen. Sie verbessert nicht nur die Verlässlichkeit dieser Systeme, sondern macht sie auch nachhaltiger und kundenfreundlicher.“ Das ist die Antwort von ChatGPT auf die Frage, ob die Digitalisierung eine Rolle in der Fernwärme spielt. Und gar keine schlechte. Darauf werden wir später noch zurückkommen.

Wenn die Dinge kompliziert werden, scheint die Digitalisierung die Patentlösung zu sein. Und in nur wenigen Branchen hat die Komplexität so massiv zugenommen wie im Bereich der Fernwärme. Diese Lage hat sich angesichts der Herausforderungen, mit denen die Welt in den letzten Jahren konfrontiert war – nicht zuletzt auch der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf die weltweite Energieversorgung – nur noch weiter zugespitzt.

Eine neue, variable Realität

Neben den geopolitischen Herausforderungen stehen der Fernwärmebranche aufgrund des bevorstehenden Übergangs zu erneuerbaren Energien und der aufkommenden Nutzung von Abwärme – auch unter dem Schlagwort Fernwärme der 4. Generation bekannt – weitreichende Veränderungen bevor. Mehrere dezentrale Wärmequellen, ein hohes Maß an Elektrifizierung, Sektorkopplung, Bedarf an niedrigeren Temperaturen, unterschiedliche Speicherarten, aktive Gebäude und vieles mehr: Das ist die neue Realität.

Dazu braucht es eine vollkommen vernetzte Wertschöpfungskette von der Produktion bis zum Endnutzer, um Schwankungen in der Wärmeerzeugung wirksam ausgleichen und den Bedarf einer steigenden Zahl an verbundenen Gebäuden decken zu können – ohne Kompromisse bei der Verlässlichkeit einzugehen. Hier zeigt sich einmal mehr der dringende Bedarf an digitalen Lösungen für die operativen Aspekte, das Asset-Management sowie für neue attraktive Dienstleistungsangebote für Endverbraucher u. v. m. In der Digitalisierung steckt letztendlich das Potenzial, unsere Art der Planung, Wartung und des Betriebs unserer Fernwärmesysteme von Grund auf zu revolutionieren.

Und die Revolution ist bereits in vollem Gange – nicht zuletzt wegen des in der Energieeffizienz-Richtlinie (EED) vorgeschriebenen Rollouts von intelligenten Zählern. Eine kürzlich von Euroheat & Power DHC+ Platform durchgeführte Umfrage kommt allerdings zu dem Schluss, dass die Nachfrageseite der Fernwärme-Wertschöpfungskette (Gebäude/Endnutzer) unterversorgt ist, denn viele der bestehenden Lösungen zielen hauptsächlich auf Produktion, Prognosen und Energiehandel ab. Vor diesem Hintergrund schafft das Rollout intelligenter Zähler eine noch nie dagewesene Voraussetzung für ein komplett datengetriebenes End-to-End-Konzept für das Fernwärmesystem.

Dateneinblicke führen zu den richtigen Lösungen

Erst neulich hat mir ein Blick in die neuesten Zahlen aus dem Hosting-Zentrum von Kamstrup verraten, wie viele Smart-Metering-Lösungen wir mittlerweile für unsere Kunden verwalten: Derzeit sind es Daten von mehr als 1,3 Millionen Wärmezählern von mehr als 400 Fernwärmebetreibern – und fast die Hälfte davon stellen stündliche Zählerdaten zur Verfügung. Stellen Sie sich vor, welche Möglichkeiten wir hätten, wenn wir all diese Datenpunkte in konkret umsetzbares Wissen verwandeln könnten!

Zahlreiche Fernwärmebetreiber konnten dank der Netzwerktransparenz, die intelligente Zähler ermöglichen, bereits beträchtliche Gewinne verzeichnen. Dazu gehören niedrigere Temperaturen, eine höhere Kapazität und geringere Verluste. Das sind fantastische Aussichten und ich freue mich, wenn ich sehe, dass die Digitalisierung bei fast jedem Event der Fernwärmebranche ein Thema ist. Gleichzeitig verfolgen auch die nationalen Verbände digitale Ambitionen und teilen die Erfolgsgeschichten ihrer Kunden, während sich bei Euroheat & Power, IEA DHC usw. internationale Arbeitsgruppen zusammentun. Das geht genau in die richtige Richtung!

Kommen wir aber auf Digitalisierung und die Tatsache zurück, dass diese oftmals die Antwort auf alle Fragen zu sein scheint. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass es ein tiefgehendes Verständnis der Branche und ihrer Komplexität sowie der Herausforderungen und Prozesse braucht, mit denen sich Fernwärmebetreiber derzeit konfrontiert sehen, um nicht nur digitale Lösungen, sondern die RICHTIGEN digitalen Lösungen entwickeln zu können. Genauso wie ChatGPT eine Antwort geben kann, die zwar nicht falsch, aber weder tiefgehend noch konkret genug ist, können wir als Anbieter nicht einfach in unseren Elfenbeintürmen sitzen und zu erraten versuchen, was Fernwärmebetreiber wirklich brauchen und wie wir sie dabei unterstützen können.

Unsere geballte Vorstellungskraft

Die besten digitalen Lösungen sind immer die, die von führenden Fernwärmeanbietern und innovativen Lösungsanbietern gemeinsam entwickelt wurden – geboren aus der Kombination aus Praxis und tiefgreifendem technologischem Know-how. Wir sollten uns zusammentun, um neue Möglichkeiten zu erkunden und dafür zu sorgen, dass wir im Sinne unserer gesamten Branche die richtigen Herausforderungen angehen und lösen.

In den letzten 2-3 Jahren habe ich an mehreren Co-Creation-Sitzungen teilgenommen, die genau diesem Thema gewidmet waren. Dabei gab es offene Diskussionen, es wurden Stärken und Schwächen ausgetauscht, Daten gewälzt und gemeinsame Prototypen erdacht, bevor am Ende eines langen Arbeitstages dann die wohlverdiente Pizza bestellt wurde. Und am nächsten Tag ging das Ganze wieder von vorn los. Das waren ganz entscheidende Erfahrungen, bei denen die so dringend notwendige Offenheit herrscht und Vertrauen zwischen allen Beteiligten aufgebaut wird – und ich freue mich auf viele weitere solcher Gelegenheiten.

Verstehen Sie meine Worte als Einladung zur Fusion unserer kreativen Kraft – die sich an alle Betreiber und Anbieter von Fernwärmelösungen richtet – damit wir gemeinsam die bestmöglichen Lösungen schaffen. Zusammen mit Kamstrup werde ich am Euroheat & Power Congress teilnehmen, der vom 22. - 24. Mai 2023 in Turin in Italien stattfindet. Ich freue mich, Sie dort zu treffen und unsere Möglichkeiten der Zusammenarbeit persönlich zu besprechen. Denn das ist der erste Schritt, um die unaufhaltsame digitale Transformation der Fernwärme voranzutreiben.


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