Wärme
Fernwärme
Energieeffizienz
Nachhaltigkeit

Beitrag erstellt am Donnerstag, 19. März 2020 von Steen Schelle Jensen

Europa macht Fernwärme intelligent

Von Steen Schelle Jensen, Head of Product Management – Lösungen, Kamstrup A/S

Fernwärme bietet die notwendige Flexibilität, um Abwärme und fluktuierende Energie aus erneuerbaren Quellen zu integrieren, zu nutzen und zu speichern. Dies steigert letztlich die Effizienz des gesamten Energiesystems. Infolgedessen besitzt sie das Potenzial, um die Wärmeversorgung von Gebäuden vollständig zu dekarbonisieren, was 40 % des gesamten Energieverbrauchs der EU ausmacht.

Doch um dieses Potenzial zu entfesseln, muss Fernwärme wachsen sowie nachhaltiger und effizienter werden. Gleichzeitig muss sie profitabel, wettbewerbsfähig und für die Endnutzer attraktiv bleiben – und diese Herausforderung ist genauso kompliziert wie sie klingt. Digitalisierung ist ein wesentlicher Teil der Lösung. Erst sie liefert Fernenergieanbietern die notwendige Transparenz und Übersicht, damit sie sich in Systemen zurechtfinden, die immer komplexer werden.

Die digitale (R)evolution

Während sich die Fernwärme in Richtung 4. Generation weiterentwickelt, reicht es nicht mehr aus, morgen genau das herauszufinden, was Sie heute hätten machen sollen. Echtzeit-Entscheidungen erfordern Echtzeitdaten. Im Wesentlichen geht es bei der Digitalisierung der Fernwärme darum, den Bedarf an höherer Effizienz und Optimierung mit den Möglichkeiten, die durch aktuelle technische Entwicklungen zur Verfügung stehen, zu verbinden.

Regelmäßige Daten von elektronischen Zählern und Sensoren bilden das Grundgerüst für den digitalen Fernenergieanbieter. Gleichzeitig ermöglichen automatisierte Zählerauslesungssysteme und moderne Analysemethoden die Überwachung, Analyse und Planung, die in naher Zukunft erforderlich sind. Zudem ist mit der überarbeiteten Energieeffizienz-Richtlinie (EED) die Anforderung, nur noch fernauslesbare Energiezähler zu installieren, die regelmäßige Daten liefern können, weniger als ein Jahr entfernt.

 

Die EED und darüber hinaus

Klare und zeitnahe Informationen sowie Energieabrechnungen, die auf dem tatsächlichen Verbrauch basieren, stärken die Position der Verbraucher, eine aktive Rolle bei der Reduktion unseres Energiebedarfs zu übernehmen. Daher wurde 2018 die EED als Teil des Clean Energy Package aktualisiert. Damit sollten unter anderem die Regeln für die Messung und Abrechnung von Wärme und Kälte präzisiert und verstärkt werden. Das war ein logischer Schritt, da die Energieeffizienz in Gebäuden entscheidend ist, um das ehrgeizige Ziel der EU zu erreichen, bis 2030 Energieeinsparungen von mindestens 32,5 % zu realisieren.

Laut der überarbeiteten EED müssen Zähler, die nach dem 25. Oktober 2020 installiert werden, fernauslesbar sein. Nach dem 1. Januar 2027 gilt diese Anforderung dann für alle bereits vorhandenen Energiezähler. Ganz gleich, ob die Zählerauslesung per Walk-by, Drive-by oder Fixed Network erfolgt, müssen die Daten dem Endnutzer mindestens 12 Mal pro Jahr zur Verfügung gestellt werden.

Die Anpassung der EED ist ein klares Zeichen, dass die Europäische Union sich für die Entwicklung eines nachhaltigen, wettbewerbsfähigen, sicheren und dekarbonisierten Energiesystems einsetzt. Damit sollte ursprünglich zwar die Position der Verbraucher gestärkt werden. Es ergeben sich aber auch eindeutige Vorteile für Fernenergieanbieter, die bereit sind, den digitalen Wandel, der durch Smart Metering eingeleitet wird, anzunehmen. Es ist von entscheidender Wichtigkeit, dieses Potenzial zu betonen. Nicht zuletzt, indem sichergestellt wird, dass Fernenergieanbieter den rechtlichen Rahmen nutzen können, um mithilfe von regelmäßigen Zählerdaten die hochkomplexen Herausforderungen, denen sich die Branche gegenübersieht, zu bewältigen.

 

 

Auf dem Weg zu intelligenter Fernwärme

Nach Installation der Zähler sind die Zusatzkosten für einen Fernenergieanbieter, um täglich oder sogar stündlich Daten zu erfassen, minimal im Vergleich zum Mehrwert durch einen ganzheitlichen Digitalisierungsansatz für die gesamte Wertschöpfungskette.

Erstens stellt Smart Metering für Fernenergieanbieter die Grundlage dar, um faktenorientierte Entscheidungen für ihre Kernaufgaben, die Erzeugung und Verteilung von Fernwärme, zu treffen. Dazu zählt die Optimierung der Erzeugung und Vorlauftemperatur, um das Limit besser auszureizen, sowie das Erkennen von Verlusten im Verteilnetz. Zudem lassen sich Verbesserungspotenziale für das Energieverhalten von Gebäuden und das Verbraucherverhalten ermitteln. Dies ist auch von entscheidender Bedeutung, damit die richtigen Bedingungen und niedrigen Temperaturen herrschen, um mehr Abwärme und erneuerbare Energie zu integrieren.

Zweitens können Fernenergieanbieter dank regelmäßig erfasster Zählerdaten – anders als bei theoretischen Modellen – die Funktionsfähigkeit der unterirdischen Leitungen, die das Verteilnetz bilden, überwachen. Zusammen mit innovativen Analysefunktionen, die bereits auf dem Markt verfügbar sind, ist es dadurch möglich, vorhandene Assets effizienter zu nutzen und ihre Sanierung besser zu planen. Auf diese Weise können Versorgungsunternehmen einige der massiven Investitionen in diesem Bereich verschieben oder vermeiden. Wenn man imstande ist, die tatsächliche Netzwerklast und -kapazität mit den Designkriterien zu vergleichen, lässt sich zudem feststellen, wie gut beides aufeinander abgestimmt ist. Somit können Fernenergieanbieter die Lebensdauer der aktuellen Infrastruktur verlängern sowie den Umfang neuer Netzwerke optimieren, um eine teure Überdimensionierung zu vermeiden.

Zu guter Letzt verbessert Smart Metering auch die Einbindung der Endkunden. Fernwärme wird oft fälschlicherweise als altmodisch, monopolistisch und fossilbasiert wahrgenommen. Doch die Digitalisierung kann den Fernenergieanbietern dabei helfen, diese Art der Energieversorgung für die Verbraucher attraktiver zu machen. Denkbar sind zum Beispiel zielgerichtete Services, wie flexible Abrechnungsmodelle, oder der verantwortliche Betrieb der Heizungsanlagen. Ebenso förderlich dürfte es sein, hervorzuheben, dass etwa die Abwärme von lokalen Supermärkten genutzt wird, um Wohnungen in der Gemeinde mit Wärme zu versorgen. Auf diese Weise werden die Endnutzer zum Teil der gemeinsamen Geschichte eines nachhaltigen Energiesystems.

 

Grün ist das neue Schwarz

Wenn man über die Tatsache hinausblickt, dass durch die Digitalisierung der Fernwärme eine nachhaltige Energiezukunft möglich wird, zeigt sich, dass es auch einfach ein gutes Geschäft ist. Wir haben Beispiele gesehen, in denen Fernenergieanbieter ihre Netzverluste um nicht weniger als 12 % und die Temperaturen um bis zu 10 Grad reduzieren und den Verbrauchern immer noch genügend Wärme liefern – alles dank der Optimierung durch Smart-Metering-Daten. Solche Ergebnisse bedeuten, dass der Renditezeitraum für Smart-Metering-Lösungen 7 - 8 Jahre beträgt. Das ist kurz im Vergleich zu anderen Investitionshorizonten im Fernenergiesektor.

Doch trotz ihres enormen Potenzials wird die Digitalisierung im Fernwärmebereich nicht automatisch passieren. Es werden die gemeinsamen Mühen und der Ehrgeiz von Technologieanbietern, Branchenakteuren, Gesetzgebern und, am wichtigsten, Fernenergieanbietern selbst notwendig sein, um herauszufinden, wie sich mithilfe von Spitzentechnologie die verfügbaren Daten am effektivsten einbinden lassen. Dies wird digitalen Fernenergieanbietern den Weg für ein nachhaltiges Geschäft und schwarze Zahlen ebnen. Davon profitieren letztlich auch Verbraucher und Gesellschaft gleichermaßen.


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